„Kirchengemeinden im ländlichen Raum – Herausforderungen und Chancen“

von Birgit Retzmann

06.05.2023

Vortragsabend mit Frau Dr. Eva-Maria Gummelt von der Evangelischen Akademie Rheinland aus Bonn im Dienstagforum am 2. Mai


Unter diesem Thema führte Frau Dr. Gummelt in die speziellen Aspekte ländlicher Räume und Chancen und Problemlagen von Kirchengemeinden auf dem Land ein.

Man war sich einig, dass das Siebengebirge ein besonderer Raum sei, nicht nur, weil er ländlich und stadtnah einzuordnen ist, natürlich auch, weil er ein wunderbarer Ort zum Leben ist. So ging es nach der Problemanalyse der Kirche in der Gegenwart und spezieller Probleme von Landgemeinden zu Inspirationen und Chancen, die Landgemeinden entwickeln könnten.

Im Wesentlichen kämpfen Landgemeinden mit zwei Hauptproblemen: die Menge an zu unterhaltenden Gebäuden und die Entfernungen zwischen Gemeindeteilen mit oft schlechtem ÖPNV. Die oft demographischen Verschiebungen zwischen Stadt und Land (Abwanderung der Jugend in die Ballungsräume) trifft nicht 1:1 auf unseren Raum zu, der auch mit Zuzug von Familien gesegnet ist.

Was also sind die Chancen? Menschen im ländlichen Raum (das zeigen auch die geringeren Austrittszahlen gegenüber Stadtgemeinden) zeichnen sich durch eine hohe Identifikation mit ihrer Heimat aus, oft verbunden mit Einsatz auf ehrenamtlicher Ebene. Zugleich stellt man aber auch fest, dass die Mehrheit der Menschen insgesamt dazu neigt, lieber in zeitlich klar umgrenzten Projekten mitzuwirken, als sich, wie früher im Vereinsleben üblich, auf lange Zeit an Aufgaben zu binden.

Es wird darauf ankommen, weniger auf Komm- als vielmehr auf Gehstrukturen zu setzen. Kooperationen mit den Partnern vor Ort (Vereine, Ökumene, Kommune und Bürgerinitiativen) sind möglich und können Synergien erzeugen.

Es geht darum, zu schauen, was die Menschen vor Ort brauchen und nicht so sehr, wie bisherige Angebote attraktiver gemacht werden können. Womöglich ist beides denkbar, aber eine Leitfrage könnte für die Ausrichtung kirchlicher Arbeit sein, sich mit der eigenen Arbeit an den Bedarfen der Region neu aufzustellen. Vielleicht bedeutet das mehr Angebote für Jugendliche in den Ferien z.B., vielleicht aber auch eher mehr Seniorenarbeit, da Menschen zu vereinsamen drohen. Auch wird man sich bei weniger werdenden Mitteln mit dem Angebot konzentrieren müssen.

Und schließlich bietet der ländliche Raum Chancen in den gesellschaftlichen Trend, Natur und Umwelt, Klimathemen und Entschleunigung wertzuschätzen, Projekte hinein zu entwickeln, die die biblische Botschaft neu entdecken helfen. Schon im ersten Kapitel der Bibel wird der Zusammenhang zwischen Gott und Schöpfung, Geschöpfen und dem Lebensraum hergestellt, um dann auf die Aufgabe der Menschen als Ebenbilder Gottes hinzuführen: die Schöpfung zu bebauen und zu bewahren. Leben im Einklang mit Gottes Schöpfung, das kann beim Pilgern durch die Natur oder dem Anlegen von Gärten zum Artenschutz, der Kooperation mit erneuerbaren Energieanbietern etc. ein Thema sein.

Manche Gemeinden machen sogar Jahrhunderte alte Pfarrhäuser zu Herbergen, wo genau solche Zusammenhänge erfahren werden können. Überhaupt kann kreatives Nachdenken zur Umnutzung überzähliger oder zu kostspieliger Gebäude neue Wege aufzeigen… vermutlich erstmal nicht die Poststation im Kirchraum, wie man das oft in England erlebt, aber vielleicht die gemeinsame Nutzung von Gemeindehäusern mit ortsansässigen Vereinen und Partnern. Das spart womöglich nicht nur Geld und Energie, sondern verbindet Menschen, so dass gemeinsame Projekte für die Region vor Ort entstehen könnten…

Aber wie bei allen Chancen und Problemlagen gibt es auch hier keine Patentrezepte und Ideallösungen für unsere Gemeindezukunft. Hier wird es darauf ankommen, gemeinsame Ideen zu entwickeln, die für unsere Heimat hilfreich sein können.

Mindestens ein zentraler Gedanke des Abends könnte nach engagierter Diskussion der anwesenden ZuhörerInnen mit der Referentin geworden sein:

Hinschauen und hinhören, was die Menschen vor Ort bewegt! Darauf sollte sich Gemeinde an jedem Ort orientieren und Wege suchen, das Evangelium für die Menschen fruchtbar zu machen.

Text und Fotos: Arndt Klemp-Kindermann