Ein Denkmal als Mittelpunkt der Gemeinde

Im Jahr 1985 hat die Evangelische Kirchengemeinde Oberpleis die Initative ergriffen und Ihre Kirche zum Baudenkmal erklären lassen.

Warum?

Die Evangelische (Not-)Kirche Oberpleis ist die vierte von einstmals 19 Kirchen dieses Typs, die von Architekt Otto Bartning im Kontext des HEKD-Hilfsprogramms geplant wurden.  Heute existieren in Deutschland noch 16 dieser Kirchen. Sie wurden nicht nur als Kirche sondern als Gemeindezentrum konzipiert.

Bartning hatte überlegt, wie man in der Nachkriegszeit den Bedarf von Gemeinden, hauptsächlich in der ländlichen Diaspora, einfach und kostengünstig einen Kirchenraum und ein Gemeindezentrum zur Verfügung zu stellen, decken konnte.

Seine „Notkirchen“ wurde aus typisierten Konstruktionsteilen seriell vorgefertigt und konnte so von Gemeindemitgliedern weitgehend in Eigenleistung aufgebaut werden. Die Kosten von 75.000 DM wurden seinerzeit vom Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz gespendet.

Unsere Kirche ist auch deswegen eine Besonderheit, weil die ersten vier Gemeindezentren noch nicht wirklich „in Serie“ gefertigt wurde sondern Gegenstand von konstruktiven Verbesserung waren.

Die für 250 bis 280 Plätze ausgelegte, 8,70m hohe sichtbare Holzkonstruktion steht auf einem gemauerten Sockel. Die Holzkonstruktion ist mit Rigips ausgefacht.

Der querrechteckige Grundriss (ca. 16m x 13m, wobei die Länge des eigentlichen Kirchensaals nur gut 10m beträgt, ohne das Querschiff nur ca. 8m) betont die sich versammelnde Gemeinschaft, ebenso wie die vorgesehene Querstellung der Bänke im Altarbereich und in den Seitenschiffen.

Bartning verbindet bei diesem Kirchenbau demokratische Bauaufassung, Authentizität des Materials, moderne n Funktionalismus und alte Traditionen unter dem „Leitbild Reduktion“ zu einer schöpferischen Synthese. Er greift den Zentralbaugedanken auf und kombiniert ihn mit dem basilikalen Schema (Seitenschiffe bzw. hinteres Querschiff unter den Pultdächern; an der Altarseite Sakristei sowie Teeküche und WC unter dem Pultdach). Das – bei diesem Kirchentyp bis auf die Altarzone umlaufende- Fensterband ist für viele Bartningkirchen regelrecht zum Markenzeichen geworden.

Als Gemeindezentrum ist der Bau nicht nur als Kirche sondern für eine universelle Nutzung konzipiert worden. Für Veranstaltungen gehörten Klapptische zur Ausstattung, die den – beweglichen – Bänken zugestellt werden konnten. Deshalb befindet sich der Altar auch in einer Nische, die bei „geselligen Veranstaltungen“ geschlossen werden konnten.

In unserer Kirche sind diese Flügeltüren noch erhalten (in anderen Kirchen wurden sie häufig irgendwann abgebaut), ebenso die zweistufige Erhöhung für den Altar und das „Sängerpodium“ im Querschiff.

Bis zum Bau des Gemeindezentrums 1985 fanden alle Gemeindeveranstaltungen der ursprünglichen Idee entsprechend im Kirchenraum statt. Heute wird die Kirche auch wieder als Ort für vielfältige Veranstaltungen genutzt: Kabarett, Varieté, Konzerte, Fastenwoche, Tanzgottesdienste, Ausstellungen etc.

Ebenso gehörte zum Gemeindezentrum neben den Funktionsräumen auch ein Anbau mit ca. 70m² Grundfläche (3 Zimmer, Küche, Bad als Pfarrhaus und ein Zimmer für die Gemeindeschwester). Oft wurde dieser Anbau nach dem Bau eines separaten Pfarrhauses als Gemeindehaus genutzt – auch bei uns in Oberpleis. Anders als an vielen anderen Orten wurde dieser Anbau bei uns nicht abgerissen. So stellt das gesamte Bauwerk ein wichtiges kulturgeschichtliches Zeugnis dar.