Zweiter Bericht aus Ghana

Ein paar grundlegende Fakten

Wir sind zu sechst über Kolping nach Ghana gekommen. Jeweils zwei Freiwillige wohnen zusammen und werden in dieselbe Einsatzstelle geschickt: zwei unterrichten an der Royal Academy, der Schule unseres Mentors in Wusuta. Das Dorf liegt ungefähr 1,5 Stunden von Hohoe entfernt, wo auch die anderen beiden „volunteers“ leben. Neben der Corpus Christi Academy gibt es die zweite Einsatzstelle, R.C. boys, eine römisch-katholische Jungenschule.

Hier eine Übersicht:

Royal Academy: Anselm Funke und Caspar Kolck

R.C. boys: Johannes Wismeth (Primary) und Frederik Reimers (JHS)

Corpus Christi Academy: Carina Rehkamp und ich

Untergebracht sind wir in Gastfamilien, die als Ansprechpartner und Bezugspersonen dienen sollen. Doch nicht in allen Fällen wohnen wir tatsächlich mit unseren Gasteltern zusammen – meine Gastmutter, Ama, ist jeden Tag zum Kochen gekommen, aber das Haus hatten wir für uns allein.

Es gibt zwei Koordinatoren vor Ort: Francis Nanafio, der Mentor in Wusuta, und sein Onkel, Rev. Father Dr. Isaac Kodzo Benuyenah, der als übergeordneter Mentor für uns alle verantwortlich ist. Seit über 15 Jahren betreut er nun Freiwillige und arbeitet eng mit Kolping zusammen. Beide Mentoren haben Trainings in Deutschland durchlaufen.

Meine Einsatzstelle

Die Corpus Christi Academy ist eine private Grundschule (Basic School). Sie gehört zur römisch-katholischen Kirche St. Augustine, deren höchster Pfarrer automatisch zum Oberhaupt der Schule ernannt wird. Für lange Jahre war das mein Mentor, Father Isaac. Als Ansprechpartner vor Ort arbeitet er eng mit meiner Entsendeorganisation zusammen und betreut die Freiwilligen in ihren jeweiligen Projekten. Nach seiner Versetzung in die Distrikthauptstadt Ho hat nun ein anderer Priester übernommen. Wegen der Verbindung zur Kirche verfolgt die Schule einen holistischen Bildungsansatz und trägt einen großen Teil zur Bildung der Gemeinde bei.

Die Corpus Christi Academy beherbergt Lernende von der ersten bis zur achten Klasse. Angeschlossen sind außerdem eine Kinderkrippe (Nursery) und zwei Kindergärten. Ungefähr 250 Schülerinnen und Schüler in 11 Klassen werden von insgesamt 14 Lehrkräften unterrichtet.

Das Lernen beginnt bereits in der Nursery – von klein auf werden den Kindern die englischen Begriffe für verschiedenste Tiere und Nahrungsmittel, die Buchstaben und die Zahlen beigebracht. Und auch die jüngsten schreiben in der sogenannten „exam week“ am Ende jedes Trimesters Klassenarbeiten. Das Anforderungslevel, welches anfangs natürlich noch niedrig ist, steigt mit jeder Klassenstufe. Ab der vierten Klasse müssen dann alle Fragen ohne weitere Hilfestellung beantwortet werden. Das fällt einigen Schülerinnen und Schülern schwer, denn selbst wenn die eigentlichen Inhalte verstanden wurden, wird das Lesen und insbesondere das Schreiben für viele zur Hürde. Die exams dienen als Vergleich zwischen den Schulen, welche in direktem Wettbewerb zueinanderstehen.

Folgende Fächer werden auf dem Basic Level (bis zur sechsten Klasse) angeboten:

  • Mathematik
  • Englisch
  • Französisch
  • Ewe
  • (ghanaische) Geschichte
  • Kunst, aufgeteilt in den zeichnerischen und den gestalterischen Aspekt, der sich mit Tänzen, Schauspiel u.Ä. auseinandersetzt
  • Naturwissenschaften, vergleichbar mit dem Sachkundeunterricht an deutschen Grundschulen
  • Sport
  • theoretischer und praktischer Computerunterricht (ICT)
  • „Religious and Moral Education“ (RME) und „Our World Our People” (OWOP); Religionsunterricht verknüpft mit der moralischen Erziehung der Kinder nach den Sitten und Werten der Gesellschaft

Für die siebte und achte Klasse (oder auch Junior High School) kommen weitere Fächer hinzu:

  • Career Technology; ein Einblick in verschiedene technische Berufe
  • Literatur
  • Sozialkunde

Neben den Unterrichtsstunden gibt es morgens die „silence hour“, in der selbstständig gelernt wird. Um 8 Uhr beginnt dann nach der morgendlichen Versammlung der normale Schulalltag. Die Ausnahme bilden Freitage, denn dann wird eine Morgenmesse abgehalten, für die innerhalb der Woche neue Lieder eingeübt werden. Diese Gottesdienste sind immer ein Spektakel. Sie werden in der Corpus Christi Kirche abgehalten, die sich mit auf dem Gelände befindet.

Englisch wird als Fremdsprache in der Schule erlernt, denn zuhause unterhält man sich in der Regionalsprache Ewe. Gerade Privatschulen (meine eingeschlossen) greifen deshalb zu einer Englisch-Pflicht im Unterricht, was ihnen bessere Ergebnisse in den Abschlussprüfungen verschafft und weiterführend ihre Überlegenheit gegenüber den kostengünstigeren staatlichen Schulen zusichern soll. Trotzdem wäre es für manche Schüler und Schülerinnen der unteren Klassen schwierig mich zu verstehen, weshalb ich meistens ab der vierten Klasse eingesetzt werde.

Das Lehrpersonal teilt sich in zwei Gruppen auf. Von der Nursery bis Klasse vier gibt es jeweils eine Klassenlehrerin oder einen Klassenlehrer, der/die die Kinder in allen Fächern unterrichtet. Die höheren Jahrgänge haben ebenfalls einen Ansprechpartner bzw. eine Ansprechpartnerin (seit dem letzten Trimester bin ich als Klassenlehrerin für die achte Klasse zuständig), werden aber grundsätzlich von verschiedenen Fachlehrern und -lehrerinnen unterrichtet.

Für lange Zeit habe ich größtenteils im Unterricht ausgeholfen oder einzelne Stunden von einer Lehrkraft übernommen, anstatt ein eigenes Fach zu unterrichten. Das war mein eigener Wunsch, da ich alle Fächer kennenlernen wollte (der Geschichtsunterricht war zum Beispiel sehr lehrreich). Nachdem wir Ende Februar Computer für die Schule bekommen haben, habe ich mit praktischen ICT-Stunden begonnen und führe die Kinder seitdem an die Microsoft-Programme, vor allem aber ans Tippen heran. Im April haben wir nun gesonderten Lese- und Schreibunterricht in den Stundenplan integriert, den ich ebenfalls übernehmen werde.

Zu meinen Tätigkeiten gehört zudem das morgendliche Einsammeln des Essensgeldes sowie dessen Buchführung.

Der Rest meiner Aufgaben ist flexibel. In der Regel steht ein Projekt an, für das ich etwas zu organisieren habe, seien es die Vorbereitungen auf die Abschlussfeier, ein Buchstabierwettbewerb oder aber die Wahl der Schulsprecher. Darüber entsteht eine Menge Abwechslung, die ich sehr genieße.

Wenn dann noch Zeit übrig ist, dann besuche ich die erste Klasse bei ihrem Ewe-Unterricht.

Freizeit bleibt dabei kaum, aber auch das liegt in meiner Hand. Meine Arbeit ist selbst gewählt – und da sie mir Freude bereitet, fühlt es sich meistens nicht nach Arbeit an.

Ein Exkurs in das generelle Schulsystem

Das ghanaische Schulsystem ist aufgeteilt in die „Basic School“ (Klassen 1-6), vergleichbar mit der deutschen Grundschule, die „Junior High School“ oder JHS (Klassen 7-9) und die „Senior High School“ (Klassen 10-12), abgekürzt mit SHS. Bei den Senior High Schools handelt es sich zumeist um Boarding Schools, das heißt, dass die Studenten auf dem Campus wohnen. Da aber die Kapazitäten fehlen, um alle drei Jahrgänge gleichzeitig mit Schlafplätzen und Essen zu versorgen, sind maximal zwei Stufen gleichzeitig in der Schule, während der Rest Ferien hat. Dasselbe passiert später am College.

Es macht einen großen Unterschied, ob man eine staatliche oder eine private Schule besucht. Das Schulgeld, das pro Trimester zu bezahlen ist, ist bei den „government schools“ um einiges geringer, obwohl deren Infrastruktur (meiner Erfahrung nach) besser ausgebaut ist. Das liegt an dem Ziel der Regierung freie Bildung einzuführen. Die öffentlichen Einrichtungen werden demnach vom Staat unterstützt, Privatschulen müssen sich hingegen selbst finanzieren. Oftmals läuft das über einen Sponsor, zum Beispiel die Kirche.

Das Lehrergehalt an privaten Schulen liegt indes deutlich unter dem Standard der staatlichen. Für viele Lehrer/innen handelt es sich um eine temporäre Lösung; eine Ausbildung haben sie nicht.

Trotz dieses Wissens genießen die Privatschulen ein höheres Ansehen, da sie bessere Ergebnisse erzielen; wenn die Familie einen hohen Stand in der Gesellschaft innehält, dass besuchen die Kinder keine öffentliche Schule.

Die abschließende Klausur der JHS (Mittelstufe) ist die „Basic Education Certificate Examination“, BECE. In der SHS (Oberstufe) folgt die „West African Senior School Certificate Examination“ oder auch WASSCE, welche mit dem Abitur zu vergleichen ist.

In der Senior High School hat man sich bereits auf ein Feld spezialisiert, sei es Business oder Haushaltswissenschaft. Nach dem Abschluss kann man sich dann in diesem Bereich weiterbilden. Bei vielen scheitert es aber am Geld, um die Kosten für die Universität zu tragen. Außerdem hält die hohe Arbeitslosenquote bei Uniabsolventen, die als eines der größten Probleme Ghanas identifiziert wurde, viele davon ab mit der Schule weiterzumachen.

Das heißt aber nicht, dass die Jugend es anderswo einfacher hätte angestellt zu werden. Der Arbeitsmarkt gilt als konservativ, weshalb zum schlecht bezahlten informellen Sektor gegriffen oder sich an einem eigenen start-up Unternehmen versucht wird.

Die Berufe, welche wegen ihrer guten Aussichten auf Arbeit weithin verbreitet sind, sind Krankenschwester und Lehrer. Für beide gibt es gesonderte „training colleges“, deren Schulgeld (wenn auch mit Hürden) als tragbar gilt. Im Vergleich zur Wahl der Schulen dreht sich hier der Trend; nun hat es Vorteile ein staatlich organisiertes College zu besuchen, denn nach dem Abschluss und dem für jede/n Ghanaer/in verpflichtenden „National Service“ (Zivildienst) wird man automatisch an einer öffentlichen Schule/im Krankenhaus eingesetzt.